Von Waldkirch nach Berlin

Dienstag, 26. Juni bis Samstag, 07. Juli 2012; 1145 km

Die Strecke nach Freudenstadt kenne ich ja schon von der Tour im letzten Jahr. Zum Auftakt gibt es gleich im Prechtal einen kurzen aber satten 18 %-Anstieg zum Landwassereck. Seit gestern, nach Anprobe der Radhose, nagen an mir Zweifel, ob ich da wieder ohne Absteigen hochkomme; der Hosenbund sitzt viel zu eng. Mit der Steigung habe ich dann keine Probleme, ich fahre ganz, ganz langsam, aber locker, da hinauf.

Der Rest vom Tag ist ziemlich belanglos. Ich übernachte schließlich auf dem schönen und ruhigen Campingplatz in Schapbach.

Der weitere Aufstieg nach Freudenstadt ist mit all dem Gepäck kein Zuckerschlecken, der Anstieg aber gleichmäßig und nicht übertrieben steil.
Dann geht es richtig zur Sache. Einen kernigen Vorgeschmack gibt es gleich bei Aach. Schon da bleibt mir die Spucke, im eigentlichen Sinn des Wortes, weg. Es folgen eine steile Abfahrt und ein ebensolcher Wiederanstieg, einer nach dem anderen. Das hält etwa 25 km an. Ich bin völlig erledigt und erklimme jeden Hügel mit letzter Kraft.

Schon um 12:30 Uhr suche ich eine Übernachtungsmöglichkeit. Campingplätze sind hier keine. In Nufringen will ein Hotel glatte 66 €, die preiswerteren Betten sind ausverkauft. Das ist nicht meine Preisklasse. Ich verlasse schließlich die Route und fahre nach Aidlingen. Dort hat der Betreiber der Pension Waldhorn Mitleid mit dem abgeschlafften Radfahrer und quartiert mich, entgegen seiner Prinzipien, in ein Einzelzimmer ein.

Am nächsten Tag ist es sehr heiß und dazu noch schwül, eine Hitzeschlacht. Glücklicherweise ziehen am Nachmittag ein paar Wolken vorbei. Im Laufe des Tages trinke ich mindestens sechs Liter.

Die Strecke ist jetzt, verglichen mit den gestrigen, giftigen Anstiegen recht locker. Bis Stuttgart geht es sogar über eine längere Distanz bergab. Für Fahrradfahrer haben die hier nicht viel übrig, die Straßen und Radwege sind oft sehr schmal. Straßen häufig ganz für den Radverkehr gesperrt. Auch ist die Beschilderung der Radwege miserabel.
Die Tour führt an der Rems entlang. Dieser Fluss ist eine Kloake, schade. Es gibt auch malerische Stellen, ganz selten. Ich treffe ein paar wenige Radtouristen. Wer verirrt sich schon hierher? Armes Radfahrland Baden-Württemberg!!

Die Vorderradbremse schleift immer wieder. Ich kann die Ursache nicht finden, habe schon das Rad neu eingespannt und verdächtige Stellen geölt. Es hilft nichts.

Am Abend ziehen endlich dicke Wolken auf. Ich übernachte im noblenSchweizerhofin Böbingen. Das Gasthaus ist empfehlenswert, nicht nur weil die Bedienung ihre Gäste anlächelt.

Das Hotel Schweizerhof liegt auf einer kleinen Anhöhe. Gleich nach der Abfahrt platzt der Vorderreifen samt Schlauch. Die seitliche Karkasse des Reifens hielt den Beanspruchungen nicht stand. Der Reifen war neu, es war ein Schwalbe Marathon Mondial Performance Drahtreifen. Den kann ich als Trekkingreifen nicht empfehlen, vielleicht ist er für den Stadtverkehr geeignet. Mit dem Schwalbe Marathon GreenGuard Drahtreifen habe ich bessere Erfahrungen gemacht.

Jetzt stehe ich vor dem Problem einen neuen Reifen besorgen zu müssen. Ich habe wieder mal viel Glück, eine Frau bietet mir eine Mitfahrgelegenheit nach Heubach, zum nächsten Fahrradgeschäft. Um 9 Uhr stehe ich vor dem Laden. Der öffnet aber erst um 10 Uhr. Also warte ich. Bereits um 9:30 Uhr kommt der Boss mit dicken Augen. Ich muss alle Überredungskünste aufbringen, bis er sich dazu hinreißen lässt, mir vor der offiziellen Geschäftseröffnung einen Reifen samt Schlauch zu verkaufen. Auf dem Rückweg trampe ich. Es dauert nicht lange und ein junger Mann nimmt mich mit.

Mein Gepäck und das Rad mit dem ausgebauten Vorderrad habe ich vor einem Haus in Böbingen abgestellt. Als ich zurückkehre ist noch alles da. Ein Bewohner des Hauses teilt mir mit, er habe darauf aufgepasst, damit den Sperrmüll niemand mitnimmt.

Zwischen Aalen und Crailsheim folge ich verschiedenen ausgeschilderten Tourenvorschlägen, die mir die Schönheiten der Landschaft näher bringen wollen. Nachdem ich merke, dass ich im Kreis fahre, halte ich mich wieder strickt an die Karte. Ab Crailsheim suche ich eine Übernachtungsmöglichkeit. Es bieten sich verschiedene Brauereigaststätten an, die einen etwas versifften Eindruck machen. Schließlich lande ich im Lamm in Rot am See. Dort bin ich gut aufgehoben. Heute war wieder eine so enorme Hitze, dass selbst das Bauchfett schmilzt.

Am nächsten Tag ist es wieder heiß, aber nicht mehr so schwül. Und nach Rothenburg ob der Tauber lassen sogar die Steigungen etwas nach. Es geht an der Tauber entlang. Dort gibt es nur noch einige kurze Anstiege. Dann führt der Weg auf einer ehemaligen Bahntrasse gemütlich bis Ochsenfurt (Gaubahnradweg) mit austarierten, sanften Steigungen und schließlich bin ich auf dem topfebenen Mainradweg. So lassen sich viele Kilometer zurücklegen. Gegessen habe nur das belegte Brötchen, das ich mir im Gasthaus heute Morgen gerichtet habe. Die Temperaturen lassen eh keinen Appetit aufkommen.

In Zellingen gibt es einen Campingplatz. Gleich nebenan ist eine Pizzeria, die auch das Radfahressen Spagetti-Bolognese mit Salat anbietet. Hier übernachte ich heute.

Jetzt, es wird schon dunkel, braut sich ein Gewitter mit heftigen Windböen, zusammen. Ich liege im Zelt und lasse es über mich ergehen. Mal sehen, was von meinen Sachen morgen noch trocken ist.

Es geht ein sehr starkes Gewitter nieder. Das Unwetter überstehe ich ganz gut, lediglich an einer Stelle des Zeltbodens sammelt sich etwas Wasser. Das spritzt wegen des Starkregens ins Zelt.

Die ganze Nacht und auch noch den ganzen Vormittag regnet es weiter. Es ist ein angenehmer, lauer Niederschlag. Ich bin nass, aber schwitze kaum.

Das ändert sich, denn der Radweg schlängelt sich durch das landschaftlich schöne Sinntal. Ab Oberzell ist es dann richtig ungemütlich. Es ist ein vier Kilometer langer Anstieg, der nicht enden will. Ich kämpfe mich mit letzter Energie hinauf, der Schweiß dringt aus allen Poren. Schon das Sinntal war nicht einfach zu beradeln, dieser Anstieg gibt mir den Rest.

Im Landgasthof „Röhnsicht“kann ich regenerieren und meine Sachen trocknen. Nach dem Abendessen lege ich mich ins Bett um das Endspiel der EM anzuschauen. Die erste Halbzeit schaffe ich gerade noch. Die Zweite habe ich verschlafen.

Obwohl es wieder ein Regentag ist, bin ich heute ganz gut drauf. Der Regen hält den ganzen Tag an und es ist richtig kalt geworden. Ich fahre unverdrossen und mache erst am frühen Nachmittag eine kleine Pause. Wegen des schlechten Wetters lasse ich die Städte Fulda und Bad Hersfeld links liegen und trotze weiter der Kälte und dem regnerischen Wetter. Mein Zelt steht jetzt auf demCampingplatz in Heringen,ich liege früh im Schlafsack und schreibe diese Zeilen mit zittrigen Händen.

In der Nacht gehen noch ein paar Schauer nieder, am Morgen kann ich mein Zelt aber niederschlagsfrei abbauen.

Der Campingplatzbetreiber hat ein ordentliches Frühstück gerichtet. Das kann ich gar nicht alles essen. Ein Brötchen und einen Apfel nehme ich mit.

Die weitere Strecke stellt keine besonderen Anforderungen. Es hat moderate Steigungen und nur ganz wenige steile Stücke. Nur vor Eisenach muss ich, wegen einer Steigung, das Rad verlassen. Die Steigung ist mit Gepäck nicht zu befahren. Am Nachmittag blinzelt sogar noch die Sonne am Himmel.

Die Karten von radweit.destimmen um Gotha und Erfurt herum nicht. Der Radweg ist verlegt.

Ein besonderes positives Erlebnis ist die Touristeninformation in Erfurt. Dort bemüht man sich, mir ein günstiges Zimmer zu vermitteln. Schließlich lande ich in einer hervorragenden 26 €-Pension.

Den Tag lasse ich mit Thüringer Klößen, Rotkraut und Goulasch ausklingen. Wenn ich so auf die bisher gefahrene Strecke zurückblicke, dann war es ein hartes Stück Vergnügen! An Steigungen hat es nicht gemangelt.

Heute muss ich mich quälen. Es ist wieder sehr schwül und läuft einfach nicht. Es ist so, als ob die Handbremse angezogen ist. Dafür bleiben die giftigen Anstiege aus. Der offizielle Saale-Radweg führt von Saaleck zur gleichnamigen Burg hinauf und dann zur Rudelsburg. Der Anstieg zu den Burgen ist noch geteert, aber schon ein kleines Abenteuer. Die Abfahrt in Richtung Bad Kösen entpuppt sich als steiler und gefährlicher Trampelpfad mit Stufen aus naturbelassenen Steinen, als Trekking-Radweg eine gefährliche Zumutung und nicht zu empfehlen.

In Naumburg will ich übernachten. Die Stadt lasse ich wegen des Nepps links liegen. Schon für den Eintritt in den Dom sind 8 € fällig und ein Radlerhotel will 46 € für die Übernachtung.

DerGasthof in Plothakommt wie gerufen, ich finde genau das was ich gesucht habe. Es ist eine familiäre, preiswerte und ruhige Gaststätte, ein Glücksgriff für jeden Radtouristen. Am Abend üben noch diePrittitzer Country Liners, eine willkommene Abwechslung.

Am nächsten Tag ist es bewölkt, nicht mehr so schwül, ideal. Schon um die Mittagszeit bin ich in Leipzig. Dort war ich schon mal, kurz nach der Wende. Obwohl sich vieles verändert hat und die damals üblichen Gerüste an den Häusern verschwunden sind, ist Leipzig leicht wiederzuerkennen. Es gibt, trotz der vielen Neubauten, immer noch genügend morbide Bausubstanz. Vor allem ist es farbenprächtiger geworden. Leipzig ist eine schöne Stadt.

Der Radweg nach Berlin ist am Leipziger Hauptbahnhof sehr gut beschildert und auch gleich gefunden. Wegen fehlender Schilder in der Stadt ist er ebenso schnell wieder verloren. In Bad Düben finde ich ihn wieder. Ab dort ist die Beschilderung hervorragend.

Am Nachmittag gehen schwere Gewitter nieder. Ich fahre auf Waldwegen und sinke beim Fahren zunehmend tiefer ein. Völlig verdreckt und durchnässt komme ich in Bad Schmiedeberg an. Der Schmiedeberger Hof nimmt mich trotzdem auf. Zum Tagesabschluss leiste ich mir in einer Pizzeria ein Kugeleis zum Mitnehmen. Die serviert es in zwei essbaren Halbschalen. Eine mir bisher unbekannte, eiskalte und leckere Kreation.

Heute ist das Wetter komisch, am Vormittag erst schwül, dunkel und schwer bewölkt, ein heftiges Gewitter scheint in der Luft zu liegen. Im Laufe des Tages verschwinden die Wolken und es klart auf. Am Abend türmen sie sich wieder zu massiven Gewitterwolken. Dabei ist es drückend schwül.

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Kurz nach Bad Schmiedeberg überquere ich die Elbe. Die Strecke fällt hier recht flach aus. In weiten Teilen führt sie durch brandenburgische Wälder, manchmal unberührte Natur. Die Beschilderung ist zunächst weiter hervorragend, lässt dann aber nach. Es sind leicht zu übersehende, nur auf Pfosten aufgeklebte, Piktogramme.

In Rehagen, am Mellensee, finde ich die Pension Eiseck und werde in einem riesigen, frisch renovierten Zimmer untergebracht. Die Hausherrin lässt mich sogar die, etwas stinkende, Wäsche waschen und trocknen. Zum Abendessen wird mir derWaldkaterempfohlen. Dort esse ich gut und preiswert, insgesamt ein empfehlenswertes Rundumpaket.

Nach Berlin ist es nun nicht mehr weit. Das werde ich morgen durchradeln.

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