Von Waldkirch nach Nantes

Waldkirch – Dijon

Freitag, 24. Juli, bis Montag, 27. Juli 2009; 441 km

Es ist schon Mitte Juli. Ich warte darauf, dass diese regelmäßigen Niederschläge endlich aufhören und ich losfahren kann. Endlich, am 20. Juli, prognostiziert wetter.com ab dem 24.07. für einen 16-tägigen Zeitraum keine Niederschläge im Raum Paris. Das ist kaum zu glauben - aber genau auf diese Botschaft habe ich gewartet. Am 24.07. ist Abfahrt.

Am 23.07. zweifle ich weiterhin an der Wetterprognose. Es regnet nach wie vor auch an diesem Tag. Egal, morgen fahre ich los.

Heute ist der 24.07. und ich radle bei starkem Gegenwind nach Mulhouse. Tatsächlich gibt es tagsüber keinerlei Niederschläge. Das Fahren mit Gepäck ist anstrengend, ich bin es nicht mehr gewohnt. Es macht sich in den Schenkeln unangenehm bemerkbar. Zudem ist es in der Rheinebene zwischen den Maisfeldern langweilig. Schön wird es erst am Rhein-Rhone-Kanal, auf den ich in Mulhouse treffe. Ich habe keine Karte, aber der Kanal ist nicht zu verfehlen und die weitere Strecke am Kanal entlang bestens ausgeschildert. Einen Campingplatz nach etwa 100 km gibt es nicht. Also radle ich weiter bis Altkirch. An sich kein Problem, der Weg am Kanal ist flach. Allerdings liegt der Campingplatz in Altkirch auf einem der höchsten Punkte der Gemeinde.

Am nächsten Morgen ist es zunächst sehr kühl. Es wird dann immer wärmer, tolles Radwetter. Getrübt wird die Stimmung durch zwei platte Reifen. Für den Ersten habe ich einen Ersatzschlauch. Beim Zweiten muss ich den Schlauch flicken. Das geht leider nicht, da sich die Vulkanisierflüssigkeit aus der Tube über die Jahre einfach verflüchtigt hat, was ich jetzt erst bemerke. Trotzdem habe ich Glück, denn der Campingplatz in Baume-les-Dames ist nicht weit und ein netter, älterer Radfahrer, der auch auf dem Campingplatz übernachtet, stellt mir sein Flickzeug zur Verfügung. Zu kaufen gibt es nichts mehr, es ist Samstagabend und auch am Sonntag haben hier die einschlägigen Geschäfte zu.

Nach Baume-les-Dames beginnt ein sehr schöner Abschnitt entlang des Doubs. Ansonsten führt der Radweg hauptsächlich entlang des Kanals, später wieder entlang des Doubs und dann entlang der Saône. In jedem Fall lohnt sich ein Abstecher ins Zentrum von Besançon. Der Radweg selbst führt an der Stadt vorbei, eben entlang am Kanal. Meine nächste Übernachtung ist auf dem Campingplatz in Nenon (bei Rochefort-sur-Nenon).

Nach Dijon wollte ich eigentlich gar nicht. Da ich eine gut ausgeschilderte Radstrecke erwartet habe, habe ich für ein Zwischenstück von ca. 100 km keine Karten und wollte mich durch die Beschilderung leiten lassen. Leider ist diese ab Pagny-la-Ville nicht mehr vorhanden. Ich finde auch niemanden, der mir verständlich (meine Französischkenntnisse sind schlecht) den Weg erklären kann. In dieser Notlage fahre den Umweg über Dijon. Dort gibt es einen Campingplatz und sicherlich wird mir die Touristeninformation weiterhelfen können.

Einen Ersatzschlauch oder Vulkanisierflüssigkeit habe ich immer noch nicht, und fordere damit das Schicksal stark heraus. Ob das gut geht?


Dijon – Orléans

Dienstag, 28. Juli, bis Samstag, 01. August 2009; 545 km

Die Touristen­information in Dijon hat einiges an Prospekten für Radfahrer. Darin ist das gesamte Radwegenetz in Burgund und sogar der EuroVelo 6 verzeichnet. Mit diesen Kartenausschnitten ist es einfach meine weitere Route zu finden.

Der Campingplatz in Dijon liegt fast in der Stadtmitte, ist erstaunlich ruhig und bis auf den letzten Platz belegt. Für Radfahrer mit Zelt gibt es aber immer noch ein Plätzchen.

Obwohl es in der Nacht etwas regnet kommt der nächste Tag mit viel Sonnenschein daher, fast schon zu heiß. Die Radweg hier ist ausgesprochen hügelig, weil er unnötig über höher gelegene Dörfer führt. Ich muss mich an so manchem, vermeidbarem Anstieg immer wieder motivieren. Die wirtschaftlichen Interessen haben sich hier gegen einen flachen Radweg durchgesetzt. Teilweise sind die Radwege schon wieder sehr schlecht beschildert. Mehr durch Zufall komme ich durch Palinges und übernachte in dem dortigen Campingplatz. Trotz seiner überteuerten Preise ist er empfehlenswert.

Der weitere Weg führt durch eine herrliche Hügellandschaft mit teilweise enormen, kurzen Anstiegen. Zudem ist es heiß und schwül und die Route wird teilweise wieder durch jedes höher liegende Dorf abseits des Kanals geführt. Viele der Dörfer, die liebevoll mit Blumen bepflanzt sind, wirken wie ausgestorben. Man ist bei der Feldarbeit oder im Weinberg.

Ich zelte in Bourbon-Lancy. Der Ort zeigt sich heute von seiner besten Seite: Am Abend ist ein Konzert im Freien am See. Und auf dem Campingplatz wird es dann später angenehm ruhig.

Das Wetter ist am nächsten Tag zunächst dicht verhangen, klart aber auf und es wird wieder heiß. Dazu bläst ein scharfer Gegenwind. Teilweise sind sehr steile, kurze Anstiege zu nehmen. Und wieder führt die ausgeschilderte Route durch jedes Dorf. Das hat auch positive Seiten, weil die Teilstrecken, die am Kanal entlang führen, langweiliger sind.

Obwohl Frankreich als Land der Fahrradfahrer gilt, treffe ich hier nur auf ganz wenige dieser Exemplare. Der einzige Fernradler, mit dem ich hier gesprochen habe, ist auf dem Weg von Südfrankreich in den Norden und fährt täglich so seine 200 km. Allerdings hat er kaum Gepäck dabei. Nachdem ich mit ihm eine kurze Strecke zusammen gefahren bin, ist er davongebraust, ich bin ihm zu langsam.
Übernachtet wird auf dem Campingplatz in Pougues-les-Eaux. Der wartet mit wirklich guter Qualität und Kampfpreisen von 4,40 € für einen Radfahrer mit Zelt auf. Da bleiben kaum Wünsche offen.

Das nächste Teilstück nach Gien verläuft wie der Tag zuvor. Es hat zwar keinen Gegenwind, dafür einen platten Hinterreifen. Ich habe Glück im Unglück. Etwa zwei Stunden zuvor habe ich endlich einen Ersatzschlauch gekauft. Das wollte ich schon vor Tagen. Es dauerte aber, ein Geschäft an der Route mit einem passenden Schlauch zu finden.

Ich gehe immer weniger essen, sondern kaufe mir unterwegs etwas zusammen, das ich dann irgendwo, meist auf einer Bank, verspeise. Heute war es ein blauer Ziegenmilchkäse, den ich in einem kleinen Laden auf dem Lande erstanden habe. Richtig gut geschmeckt hat er nicht, es war den Versuch trotzdem wert.

Auf dem Campingplatz in Gien werde ich von einem Niederländer zum Kaffee eingeladen. Eine der ganz wenigen Einladungen auf dieser Reise.

Ab Gien beginnt ein leicht zu radelnder Abschnitt. Es ist wieder heiß, der Weg bleibt aber ziemlich flach und ab Sully ist die Route auch teilweise ordentlich ausgebaut, teilweise aber auch noch ein Provisorium. Jetzt sind viel mehr Radreisende anzutreffen, nach Orléans wimmelt es davon. Eine Stadtbesichtigung ist mir zu anstrengend, ich radle einfach durch Orléans und will auf dem Campingplatz in La Chapelle-Saint-Mesmin übernachten.


Orléans – Nantes

Sonntag, 02. August, bis Mittwoch, 05. August 2009; 429 km

Der Radweg zum Campingplatz nach La Chapelle-Saint-Mesmin führt westlich von Orléans an einer stark befahrenen Straße entlang. Die unangenehme Überraschung ist, dass dieser Campingplatz geschlossen und der nächste erst im ca. 20 km entfernten Beaugency ist. Diese Zugabe kann ich, trotz der ermüdenden Durchquerung Orléans, locker wegstecken. Ich habe erstaunlichereise beim Bergauffahren erstmals keine Schmerzen in den Oberschenkeln.

Bei Nacht werde ich auf eine sehr subtile Art unterhalten. Vorausschickend ist zu sagen, dass fast alle Stellplätze auf dem Campingplatz frei sind. In der Nacht kommen Camper, die auf dem übernächsten Stellplatz neben mir übernachten. Ihr Auto parken sie auf dem mir unmittelbar gegenüberliegenden Platz rückwärts ein. Hierzu sind mehrere Versuche notwendig. Abgesehen vom Abgasgestank wird mein Zelt taghell erleuchtet und ich natürlich hellwach. Meine Hoffnung ist noch heute, dass dieses Vorgehen ein gedankenloses Versehen oder dem Alkohol geschuldet war. In der Nacht regnet es. Morgens hat es schon wieder aufgehört, es sind nur noch dicke Wolken am Himmel. Im Laufe des Tages hellt es sich immer weiter auf.

Die Radstrecke ist jetzt hervorragend beschildert und auch einigermaßen ausgebaut. Es gibt hier auffallend viele Fernradler und Campingplätze, leider auch massiven Gegenwind. Meine Essensgewohnheiten habe ich inzwischen ganz umgestellt. Morgens gibt es einen Kaffee und zwei Croissants, im Laufe des Tages dann irgendwelche Kleinigkeiten und so zwischen 16:00 und 18:00 Uhr die Hauptmahlzeit. Ich bin jetzt neun Tage unterwegs und mein Körper hat sich auf das tägliche Radfahren mit dem Gepäck eingestellt. Die nächste Übernachtung ist auf dem Campingplatz in La Ville-aux-Dames.

Die Tage verlaufen immer gleichförmiger, es wird schon etwas langweilig. Vielleicht sollte ich mehr besichtigen. Ich entschließe mich dann doch fürs Radfahren. Es gibt hier erstaunlich viele, steile Anstiege. Die sorgen für etwas Abwechslung, weil ich mit mir beschäftigt bin. Und dann die Städtchen am Hang. Durch die zu radeln beeindruckt mich am meisten. Auffallend viele Briten sind hier anzutreffen. Übernachten möchte ich auf dem Campingplatz in Gennes.

Der Campingplatz in Gennes bietet ein Extra. In der Nacht terrorisieren zwei (einheimische) Biker den Platz. Sie fahren mit ihren lautstarken Mopeds dauernd vorbei. An Schlafen im Zelt ist in der Zeit nicht zu denken. Keiner unternimmt etwas, ich auch nicht.

Auch nach Gennes gibt es wieder diese kurzen und steilen Anstiege, jetzt aber mit viel Rückenwind. Die Strecke wird wieder interessanter, beispielsweise sind erste Palmen zu sehen. Manche Brücken über die Loire haben auf der Fahrspur keinen Platz für Radfahrer und schon gar keinen Radweg. Für mich bleibt dann nur der Fußweg, alles andere wäre bandgefährlich. Das Wetter ist traumhaft, nur etwas zu schwül. Wegen der Hitze und den vielen Anstiegen bin ich heute schon am frühen Nachmittag völlig ausgelaugt und pfeife auf dem letzten Loch. Übernachtet wird in Ancenis.

Die Nacht im Zelt ist wie fast immer sehr erholsam und am nächsten Tag bin ich um die Mittagszeit schon in Nantes. Nach einer kurzen Stadtbesichtigung möchte ich mich in der „locationdevelos.com“ über einen Radweg nach Brest erkundigen. Das geht leider nicht, weil das Büro von 12:30 Uhr bis 14:00 Uhr geschlossen ist. Toller Service, ich bin verärgert. Diese Scharte kann die normale Touristeninformation dann mehr als wettmachen. Dort bekomme ich alle gewünschten Auskünfte. Die haben sogar eine Broschüre über einen Radweg entlang des Kanals Nantes-Brest. Die Existenz dieses Kanals ist mir nicht bekannt, ich habe mich ja nur grob auf die Tour vorbereitet. Ein Radweg am Kanal hat nur moderate Anstiege. Mir ist das, nach den giftigen Anstiegen, mehr als willkommen. Die Möglichkeit am Kanal zu radeln nehme ich sehr bereitwillig an.