Sie werden Lünne nicht kennen. Lünne ist eine Gemeinde in der Samtgemeinde Spelle im Landkreis Emsland in Niedersachsen und liegt südöstlich von Lingen, weitab der deutschen Grenze. Warum also Lünne? Die Erklärung ist ganz einfach: Ich werde dort Verwandte besuchen. Daher der kleine Abstecher.
Es ist Donnerstag, der 08.07.2010. Gestern war ein richtig heißer Sommertag, so 35 °C. Und heute soll es noch heißer werden. Egal, ich beginne jetzt um 09:00 Uhr meine Radtour. Zur Grenze nach Breisach sind es etwa 30 km. Dort beginnt auf der französischen Seite meine Grenztour. Zunächst geht es am Rhein-Rhone-Kanal entlang bis nach Straßburg. Es wird, wie vorhergesagt, schnell sehr heiß. Auf den freien Radstrecken sind kaum Leute anzutreffen. Ein ziemlich ereignisloser Tag also. Am abwechslungsreichsten ist noch die Fahrt durch Straßburg. Im Hafen fällt mir ein Flusskreuzfahrtschiff auf, vor dem etliche Rollatoren parken. Da sind auch Senioren unterwegs.
An meinem Rad habe ich den ganzen Winter herumgebastelt. Es waren die Schäden der letzten Tour, wie Vorderrad, Lichtanlage, Lenkerband etc. zu beheben. Auch die hydraulische Bremsanlage war undicht und musste entlüftet werden. Das war Neuland, mit dem Servicekit von Magura aber problemlos. Das Rad kommt heute richtig gut heraus. Es läuft sehr leicht. Etwas irritiert bin ich davon, dass die Kette zweimal springt.
Der Wind weht aus südlicher Richtung. Zusammen mit dem leicht laufenden Fahrrad habe ich keine Mühe deutlich mehr als die geplanten 100 km zurückzulegen. Gleich am ersten Tag schaffe ich die längste Tagesetappe dieser Tour mit 166 Kilometern. Gezeltet habe ich auf dem Campingplatz am Achernsee in Lichtenau. Der liegt direkt an der Autobahn. Bei dem Lärm habe ich trotz der Anstrengung sehr schlecht geschlafen.
An nächsten Tag bietet die Strecke am Rhein entlang bis Lauterbach auch keine Abwechslungen. Es wird dafür wieder sehr heiß, am Nachmittag kommt noch Schwüle dazu. Ab Lauterbach, in Richtung Bad Bergzabern, befahre ich nun enge, schnurgerade Landstraßen mit wenig Verkehr. Vereinzelt sind auch erste Hügel zu überwinden. Bei der Hitze ist das gewöhnungsbedürftig und nicht gerade ein Vergnügen. Ich radle eben langsam und trinke so 5 bis 6 Liter Wasser den Tag über. Damit komme ich ganz gut zurecht. Die Menschen, denen ich begegne, zeigen für die Radlerei bei dieser Hitze nur Unverständnis.
In Bad Bergzabern wird mir ein sehr schöner Campingplatz bei Bethof (Vorderweidenthal) empfohlen. Bis dahin sind aber noch etliche Höhenmeter zu erklimmen. Von der Straße ist der Campingplatz dann über eine kontinuierliche Abfahrt zu erreichen. Der Zeltplatz selbst liegt innerhalb des Campingplatzes am tiefsten Punkt.
Die heutigen Steigungen haben Tribut gefordert: ich habe nur 82 km geschafft. Eine Linderung der Mühen erfahre ich später in der Wirtschaft das Campingplatzes.
Der Zeltnachbar in Bethof hat sein Zelt zu einem Drittel auf meinem Platz aufgebaut. Ich toleriere das und lasse mir nichts anmerken. In der Nacht ist es eigentlich totenstill hier. Eigentlich, aber gerade heute wird in der Nachbarschaft gefeiert und die laute Musik ist in dem engen Tal zu hören. Der Nachbar und ich können nicht schlafen. Im weiteren Verlauf der Nacht registriere ich auch noch den Wurf eines Geschosses auf mein Zelt. Das kann nur der Nachbar gewesen sein. Angeblich hätte ich geschnarcht. Ich erkläre ihm, dass man das auch auf eine andere Art und Weise mitteilen könne. Um 05:30 Uhr steht der Nachbar auf und zieht von dannen. Ich kann endlich schlafen.
Gefrühstückt habe ich am nächsten Morgen beim Bäcker in Vorderweidenthal. Man hat mir die Reste des Frühstückszopfs verkauft. Ich hoffe, die Existenz dieses kleinen Geschäftes damit etwas gesichert zu haben.
Es ist wieder sehr heiß und der Pfälzer Wald besticht mit seinen kurzen, aber steilen Anstiegen. Ab Mittag denke ich an das Ende der Tagesetappe. Dann wird es flacher und ich wähle Gersheim als heutiges Etappenziel aus. Die Enttäuschung ist groß. In Gersheim finde ich nichts Touristisches, keinen Campingplatz und kein Gasthaus weit und breit. Nach hartnäckigen Erkundigungen in mehreren Wirtschaften wird mir die Pension Mehler in Reinheim empfohlen. Dort finde ich tatsächlich ein Zimmer. Auch ist in dem Ort ein Lokal offen (Fischerheim oder so). Das bietet immerhin Pizza und Flammkuchen an. Die Entscheidung fällt schnell: Pizza Diabolo, die dann außerordentlich mundet.
Die Pension erweist sich auch als Glücksfall. Es gibt zum Abschied ein hervorragendes Frühstück und ich bezahle ganze 22 € für das Arrangement.
In der Nacht geht ein Unwetter nieder, einige Bäume werden umgerissen. In wenigen Stunden kommt so viel Regen herunter, dass das Saarland den Notstand ausruft. Glücklicherweise habe ich nicht gezeltet. Es ist jetzt am Morgen angenehm kühl, die Hitze ist verschwunden. Im Laufe des Tages stellt sie sich leider wieder ein, allerdings sind jetzt einige kühlere Abschnitte in die Luft eingelagert. Auch die Saar sorgt für etwas angenehmere Temperaturen. An vielen Häuser im Saarland sind die Bauabschnitte, die die Häuser durchgemacht haben, zu erkennen. Teilweise sind diese eindeutige Eigenleistungen der Besitzer. Die Leute hier sind sehr gesprächig. Die Nähe zu Frankreich macht sich eben in vielerlei Hinsicht bemerkbar.
Ich übernachte auf dem Campingplatz in Rehlingen. Hier teilen sich Schwimmbad und Campingplatz das Gelände, nach der Hitze des Tages ein wohltemperierter Tagesausklang.
Heute ist Montag, der 12.07.2010, und hitzefrei. Beim morgendlichen Einpacken scheint noch die Sonne. Sie versteckt sich im Laufe des Tages immer mehr hinter den Wolken und am Abend tröpfelt es leicht. Dann doch lieber mehr Hitze.
Die heutige Drei-Flusstour an Saar, Mosel und Sauer für zum Großteil durch wunderbare Landschaften und über wenig befahrene Straßen. Manchmal ist es richtig ruhig und ich kann den eigenen Atem hören. Zwischen Mosel und Sauer sind wieder steile Anstiege angesagt. Die machen jetzt aber keine Mühe, das Learning by Doing wirkt schon. Auffällig ist die Sprachveränderung, es klingt norddeutscher, jedenfalls nicht mehr süddeutsch. In Echternach will ich übernachten. Der Campingplatz an der Sauer ist restlos überfüllt. Etwas abseits in einem Seitental, auf dem Campingplatz Alferweiher, hat es aber noch reichlich freie Plätze.
Am nächsten Tag führt mein Weg, nach einem kleinen Frühstück beim Campingwart, zunächst am Ufer der Sauer entlang. Dann muss ich den Fluss leider verlassen. Und die Steigungen nehmen dramatisch zu. Als Höhepunkt erlebe ich die Steigung bei Sevening. Dort sind es auf einem längeren Teilstück glatte 18 %. Hinzu kommt, dass es in den Dörfern keine geöffneten Lebensmittelgeschäfte oder Wirtschaften gibt. Ich versuche, mich mit meinen Kalorienriegeln zu retten, stoße aber einige Male an Grenzen und muss längere Pausen einlegen. Gegen 16:00 Uhr finde ich die rettende offene Wirtschaft. Zu trinken bekomme ich sofort, Essen will man nur widerwillig servieren, man sei eine geschlossene Gesellschaft. Dann ist man doch bereit „Häppchen“, wie man hier sagt, zu servieren. Es landen schließlich zwei belegte Brote auf dem Tisch. Nachdem ich diese verzehrt habe geht es mir besser. In Bleialf baue ich mein Zelt auf. Es sind heute doch noch fast 100 km geworden.
Am Vormittag des nächsten Tag zunächst wieder dieses Auf und Ab. Dann kann ich über weite Strecken auf gleicher Höhenlage fahren. Später, das Beste, kommen die langen Abfahrten. Die Ernte der vergangenen Tage. Die Nordeifel, wie ich sie hier kennen lerne, ist gegenüber den südlicheren Teilen geradezu geschmeidig. Ich habe aber noch viel mehr Glück und finde gleich am Ortseingang von Aachen die Touristeninformation. Die weist mich auf einen Campingplatz mitten in Aachen hin. Als ich den erreiche brauen sich schon schwarze Wolken zusammen, es sind für heute heftige Unwetter vorhergesagt. Ich baue mein Zelt auf. Es stürmt und regnet heftig, der Hagel bleibt aber aus.
Auf dem Campingplatz treffe ich ein Schweizer Ehepaar, dass auch viel mit dem Rad unterwegs ist. Die kennen von ihren Touren einige Orte, die ich auch schon mit dem Rad besucht habe, Insiderwissen.
Um 08:00 Uhr bin ich als Erster vom Campingplatz aufgebrochen. Eine Bäckerei, die ein Frühstück für 3,50 € anbietet ist gleich gefunden, wirklich preiswert und gut. Zu Mittag esse ich zwei süße Gebäckstücke und am Abend gibt es ein Jägerschnitzel. Die Radlerei ist heute ein Spiel mit dem Rückenwind, gegenüber den Vortagen geradezu ein Herumgammeln. In Selfkant hole ich mir den ersten Stempel in meinem Zipfelpass. Dort ist man sehr enttäuscht, dass ich an weiteren touristischen Angeboten nicht interessiert bin und gleich weiterfahre. Das tut mir doch etwas leid, da die Dame sich mit mir sehr viel Mühe gab. Sehr beeindruckt bin ich von den Spuren der Geschichte, die in Brüggen zu finden sind. Die dortige Touristenauskunft hat sich ein extra Lob verdient, von der habe ich eine sehr kompetente und erschöpfende Auskunft bekommen. Heute hat sich jeder mit mir irgendwie viel Mühe gegeben.
Jetzt weiß ich auch wo Breyell (Nettetal) liegt, weil ich auf dem Campingplatz De Wittsee übernachte. Dort gibt es viele Verbote und auch einen winzigen Grasflecken, auf dem ich mein Zelt aufbauen darf.
Auf dem winzigen Fleck habe ich gut geschlafen und am nächsten Morgen gleich wieder eine Bäckerei mit Frühstück gefunden. Die Landschaft gibt jetzt nicht mehr allzu viel her. Dafür weht weiter der Rückenwind. Und Städte, wie Goch oder Kleve, haben sich teilweise großartig herausgeputzt. Sonst sieht meist alles sehr gleichmäßig aus, norddeutsche Backsteinbauten eben. Es wird auch wieder heiß, aber nur noch 32 °C, die leicht auszuhalten sind. Für Abwechslung sorgt das Essen: Zu Mittag ein Kaffee, ein belegtes Brötchen und ein Stück Erdbeerkuchen, am Abend, im Hotel, dann eine „Münsterländer Kruste“, klein aber fein. Unterwegs frage ich eine Frau nach dem Weg zum Hotel. Sie erzählt mir, dass sie hier mit ihrem Mann Urlaub macht, der aber bei diesem schönen Wetter lieber zu Hause bleibt und sie deshalb alleine unterwegs ist. Das Hotel in Barlo kann ich wärmstens empfehlen, ein kleiner Abstrich ist, dass die Zimmer unterm Dach sind.
Der Tag fängt mit einem exquisiten Frühstück im Hotel an, die Ernüchterung folgt aber auf dem Fuß: Ich verfahre mich. Den richtigen Weg zu finden erweist sich als nicht ganz einfach, da in dieser Gegend fast keine Hinweisschilder sind. Schließlich begegne ich einem älteren Mann auf einem Fahrrad, der mir, nach anfänglichem Misstrauen, den richtigen Weg erklärt. Mich begleitet wieder der Rückenwind, die Windrichtung ändert sich dann im Laufe des Tages nach Nord-West, ich habe jetzt Gegenwind. Im Gegenzug wird es sehr flach und ich erreiche im Laufe des Tages meine Verwandtschaft in Lünne.
Am Abend und in der Nacht feiere ich beim Dorffest in Lünne mit. Nach dem Dorfest, am Sonntag, brauche ich einen Ruhetag.