Von Waldkirch nach Burgkunstadt

Sonntag, 31. Juli bis Montag, 08. August 2011; 944 km

Wie schon in den letzten Jahren will sich kein Hochdruckwetter einstellen. Es ist schon Ende Juli und regnet immer noch jeden Tag. Für den August wird endlich besseres Wetter vorhergesagt. Am 31. Juli beginne ich meine Radtour.

Es wird gleich kernig. Bis Elzach ist die Steigung noch moderat, im Oberprechtal schon etwas heftiger. Dann der Anstieg von 18 % zum Landwassereck, nicht gerade lang, aber mit meinem Gepäck und ohne Bergtraining ein erster Belastungstest. Ich radle ohne abzusteigen am Landwassereck vorbei; nicht schlecht. Belohnt wird das durch eine rasante Abfahrt nach Steingrün. Von Schapbach bis zum Oberen Zwieselberg steigt es dann wieder leicht an, es dauert eine Ewigkeit, bis ich dort ankomme.

Auf dem Campingplatz Langenwald bei Freudenstadt will ich übernachten. Man quartiert mich bereitwillig bei Gabi ein. Gabi ist nicht da. Ich darf auf dem Vorplatz ihres Abstellplatzes mein Zelt aufbauen. Die Nacht dort ist sehr unruhig, unmittelbar neben dem Zelt führt die Straße vorbei.

An diesem ersten Tag geht das Radfahren erstaunlich gut, nur beim Treten ist immer ein Klicken des Rades zu hören. Die Ursache kann ich nicht finden. Selbst das Wetter hat mitgespielt, die Bewölkung ist durchwachsen, kein Tropfen kommt herunter. Mal sehen, wie das morgen weiter geht.

Der Campingplatz liegt auf etwa 700 Metern Höhe. Am Morgen ist es noch kalt und bewölkt. Gut gefrühstückt beginne ich in Freudenstadt mit der „Tour de Murg“: alpine Landschaft im Schwarzwald. Dieser Radweg ist sehr eindrucksvoll und abwechslungsreich, vom Feinsten. Nur ein paar harte Anstiege trüben den Genuss.

Ich will nach Karlsruhe. Wegen fehlender Schilder verliere ich in Malsch den Radweg und frage einen Mann danach. Der kann mir sogar einen Campingplatz in Bruchsal nennen, das Naturfreundehaus an der B3. Es ist weit und breit der einzige Campingplatz. Besonders eindrucksvoll auf dem Weg dahin sind die kerzengeraden Radwege, die vom Schloss in Karlsruhe, am Kernforschungszentrum vorbei, durch den Wald bis Friedrichstal führen.

Ein Campingplatz an der B3 ist nicht gerade der ruhigste Schlafplatz. Ich zähle einfach die Züge, S-Bahnen, Autos, Krafträder und Lastwagen, die ich so hören kann. Irgendwann gelingt es mir einzuschlafen.

Natürlich bin ich bei dem Lärm früh wach und fahre nach dem Zusammenpacken meiner Sachen auch gleich los. Durch Zufall finde ich den Radweg nach Heidelberg wieder. Es dauert nicht lange, dann ist er auch schon wieder verloren. Das passiert mir nicht nur einmal, die Radwege südlich von Heidelberg scheinen nur etwas für Kenner zu sein.

Der Rest des Tags vergeht im üblichen Radfahrertrott. Es gibt keine Highlights, aber auch keine schlechten Erfahrungen. Es wird heiß und ich bin müde. Vermutlich ist die Müdigkeit der unruhigen Nacht geschuldet. Schon in Hemsbach frage ich nach einem ruhigen Campingplatz. Die „Oase der Ruhe“ in Bensheim/Gronau wird mir empfohlen. Der Campingplatz ist wirklich ganz ruhig, liegt inmitten von Bergen. Leider sind alle Kneipen hier zu. Glücklicherweise kann ich noch kurz vor Geschäftsschluss im Dorfladen einkaufen und muss zum Abendessen nicht in eine entfernte Wirtschaft radeln.

Am Abend ist der Himmel noch wolkenlos, aber gleich am nächsten Morgen fängt es an zu tröpfeln. Ich lasse mich davon nicht beeindrucken, packe meine Sachen zusammen und fahre los. Der Niederschlag hört bald wieder auf und der Radweg Heidelberg-Mainz ist auch schnell gefunden. Anhand der Karten vonradweit.defahre ich auf Wirtschaftswegen nach Wiesbaden.

Der Mainradweg bis Frankfurt hat nicht viel zu bieten. Er führt entlang von Weinbergen und Bahnstrecken, ist wenig abwechslungsreich und langweilig. Zu allem Überfluss ist in Höchst ein riesiges Industriegebiet, das unmittelbar am Main liegt, zu umfahren. Die Fahrt durch Frankfurt ist schon imposanter, obwohl gerade ein mächtiges Gewitter niedergeht. Dem halte ich eisern stand und radle unter den Regengüssen weiter.

Unmittelbar am Radweg liegt der Campingplatz Offenbach-Bürgel. Die Sanitäranlagen sind dort völlig veraltet, Toiletten und Duschen in einem Raum, es stinkt. Für Warmduscher wird, trotz der etwas desolaten Anlagen, eine zusätzliche Gebühr von 1,50 € erhoben. Aus Verärgerung will ich die nicht investieren und dusche nach Kneipp. Das muss ich in der Nacht mit Fieberträumen büßen. Ich wache hundertmal auf, auch wegen der lauten S-Bahn. Einmal ist die Nase ganz trocken, ein andermal läuft sie. Die Erlösung bringt ein Regenschauer; das gleichmäßige Prasseln der Tropfen auf das Zeltdach lässt mich in tiefen Schlaf fallen.

Am nächsten Tag ist die Radlerei mühsam, ich bin schlapp und schwach, schon kleine Anstiege machen Mühe. Nach dem Mittagessen in einer einsamen, direkt am Radweg liegenden Waldgaststätte, geht es mir besser. Ich radle weiter am linken Mainufer und werde ab Stockstadt durch Umleitungen und Industriegebiete vom Main abgedrängt. Aschaffenburg lasse ich deshalb links liegen. Die Landschaft ist hier teilweise sehr stark industrialisiert, teilweise aber auch nicht, jedenfalls wenig harmonisch. Das ist es am Main entlang bis jetzt auch noch nie gewesen. Ab Obernburg ändert sich das, ab hier wird es schön.

Wegen der Schlappheit will ich heute schon auf dem Campingplatz in Großheubach die Etappe beenden. Mehr zufällig erfahre ich, dass ich auch auf der Wiese der Wasser-Sport-Gemeinschaft in Kleinheubach zelten könnte. Der Campingplatz ist ein Volltreffer. Seit Tagen kann ich das erste Mal durchschlafen, es ist in der Nacht ganz still auf dem Platz.

Heute geht es mir viel besser. Ich muss kaum noch husten und in der Nase „beißt“ es auch nicht mehr so. Von der Schlappheit ist nicht mehr viel zu spüren, eher das Gegenteil.

Es ist fast ideales Radwetter, etwas bewölkt aber leider sehr schwül. Hier ist der Radweg schon wieder langweilig, er führt in großen Abschnitten nicht am Main entlang, sondern durch die Pampa. Abwechslung bringen die alten Städte, wie Miltenberg.

Auffallend schnell wechseln auf diesem Teilstück die Dialekte. In Kleinheubach klang es noch hessisch, in Karlstadt ist es schon tiefstes Fränkisch.

In Gemünden führt die Bahnlinie direkt am Campingplatz vorbei. Das will ich mir nicht antun und radle weiter bis Karlstadt. Dort ist zwar keine Bahnlinie, aber der Platz proppenvoll. Man bietet mir ein Fleckchen auf der gegenüberliegenden Straßenseite bei den Dauercampern an. Auf diesem Platz passieren seltsame Dinge. Zuerst zerreißt mein Fahrradhemd. Das ist orange und hat mich etliche Jahre auf meinen Touren begleitet. Der Stoff auf der Rückseite ist von der Sonne brüchig geworden. Dann herrscht schon um 23:00 Uhr Totenstille. Ich liege auf meiner Matte und höre plötzlich ein Geräusch. So klingt es, wenn jemand eine Blechdose mit dem Messer öffnet. Die Nachforschungen ergeben, dass ein faustgroßer, weißer Grenzstein neben meinem Zelt ausgegraben wurde. Ich lege mich wieder hin. Nach einer halben Stunde höre ich wieder ein seltsames Geräusch. Jetzt wurde das Loch, das der Stein hinterließ, mit Erde gefüllt. Dann ist endgültig Nachtruhe.

Eine Bäckerei in Karlstadt serviert ein kalorienreiches Frühstück mit Rührei und Schinken. Ein lang ersehnter Wunsch geht in Erfüllung. Auf dem Radweg ist es jetzt belebter. Bis Kitzingen treffe ich auf viele Radfahrer. Es ist auch das bisher interessanteste Stück des Mainradweges. Wieder weht ein kräftiger Gegenwind und kleine Anstiege müssen überwunden werden. Wie fast immer, macht mir das auch heute zu schaffen. Zudem ist es unheimlich schwül.

In Würzburg suche ich nach einem neuen orangenen Radhemd, kann aber keines finden. Ich fahre deshalb im Ersatzhemd weiter, das eigentlich für die kälteren Tage vorgesehen ist.

Übernachten werde ich auf dem Campingplatz in Schwarzach/Schwarzenau. Dort weist man mir einen Platz, auf dem schon ein Mann mit seinen zwei Söhnen zeltet, zu. Der Platz ist eng, gerade ausreichend. Die Drei sind ebenfalls mit dem Rad unterwegs.

Kaum ist mein Zelt aufgebaut, fängt auch schon leichter Regen an. Es hängen viele pechschwarze Wolken am Himmel. Hoffentlich sind die morgen verschwunden.

In der Nacht und auch am nächsten Morgen ergießt sich ein Regenguss nach dem anderen. In einer Regenpause baue ich mein Zelt ab und bin bereits um 08:45 Uhr auf dem Rad, allerdings ohne Frühstück. In Schwarzenau treffe ich auf den Wagen des Sonntagsbäckers und decke mich mit leckeren Backwaren ein. Einen Kaffee hat der Bäcker nicht, auf den muss ich bis Volkach warten.

Für heute ist ganz schlechtes Wetter vorhergesagt. Das bewahrheitet sich nicht. Es ist etwas zu kühl, bewölkt und der Wind weht in den Nacken, also fast wieder optimales Radwetter. Der Regen hat aufgehört. Wie gestern ist es eine malerische Radstrecke, mir kommen viele Rad-Gruppen entgegen.

In Bamberg habe ich große Probleme den richtigen Radweg am Main entlang zu finden. Die Beschilderung ist undeutlich und es gibt einige Baustellen ohne beschilderte Umleitung. Auf Nachfragen erhalte ich zudem unterschiedliche Auskünfte und fahre mehrmals in eine falsche Richtung.

Wieder suche ich einen Campingplatz. Das ist hier nicht so einfach. In Ebing werde ich fündig. Der Platz liegt nahe an der Autobahn und der Platzwart hat schon Feierabend, es gibt also keinen Schlüssel für Klo und Dusche. Ich übernachte notgedrungen im Schwanen-Bräu im Ort. Das ist ein Glücksgriff, urig und günstig.

Die Gaststätte serviert ein üppiges Frühstück. Gut gerüstet nehme ich die Fahrt wieder auf. Die Landschaft wechselt, von Weinanbau ist nicht mehr viel zu sehen. Es geht leicht, aber stetig bergauf, im Gegenzug nimmt das Preisniveau leicht, aber stetig ab. Der Main wird schmal und schmaler. Besonders gut gefallen mir hier die Städtchen. Die sind klein, adrett und haben fast immer einen alten Stadtkern.

So schön die Begleitumstände, so schlecht das Wetter. Es herrscht zwar Rückenwind, die Schauer wollen aber nicht aufhören und vor allem ist es viel zu kalt.

Ich soll eine Hausarbeit an einem PC-Korrekturlesen und bin auf der Suche nach einem geeigneten Arbeitsplatz in einem Hotel, einer Bibliothek, einer städtischen Verwaltung usw... In Bad Staffelstein kämpfe ich mich bis zum Amtsleiter vor. Der zeigt zwar Verständnis, lehnt aber am Ende auch ab. Da ich bis Kulmbach nichts finden kann, bleibt mir nichts anderes übrig, als mit der Bahn nach Hause zu fahren. In Kulmbach ist wegen einer Messe noch nicht mal eine Übernachtung zu bekommen. Ich weiche nach Burgkunstadt ins HotelDrei Kronen aus. Burgkunstadt hat einen Bahnhof und das Hotel ist wirklich gut. Am nächsten Tag sitze ich mit einem Quer-durchs-Land-Ticket in vielen Nahverkehrszügen und zwischen Heilbronn und Karlsruhe auch mal in einer Straßenbahn. Das Rad und eine Satteltasche habe ich im Hotel zurückgelassen.