Von Hindman, KY nach Eminence, MO

22.Mai: Hindeman, KY nach Booneville, KY

Es ist jeden Tag das Gleiche: rund 2.000 Höhenmeter mit steilen und auch längeren Anstiegen. Irgendwie wird diese Kletterei lästig. Unser Leiter macht Mut und sagt, dass wir den schwierigsten Teil der gesamten Tour schon hinter uns haben.

Jeder Tag ist auch ein Naturerlebnis. Meist führt die Route über Nebenstrecken durch einsame Landschaften; da herrscht absolute Ruhe. Zur Abwechslung geht es heute auch mal einen Highway entlang. Der hat einen sehr breiten Seitenstreifen, so dass das Radfahren dort nicht einmal unangenehm ist.

Das Wetter könnte besser sein. Jeden Abend, wenn das Zelt aufgebaut ist, geht ein kräftiges Gewitter nieder. Leider trocknet das Zelt nicht bis zum nächsten Morgen.

Mit der Felge des Hinterrades gibt es ein Problem. Dort, wo die Speiche in der Felge festgemacht ist, gibt es kleine Risse. Übermorgen soll sie gewechselt werden. Die neue ist bestellt.

23. Mai: Booneville, KY nach Berea, KY

Endlich wechselt die Landschaft. Wir kommen langsam aus den Appalachen heraus. Die letzten Wochen und insbesondere die letzten beiden Tage waren extrem anstrengend. Die Tour mit Adventure Cycling Association ist wirklich nicht für Untrainierte. Und ich habe eindeutig zu wenig trainiert.

Der Tag heute ist im Gegensatz zu den letzten beiden richtig erholsam. Nicht, dass es mir leicht gefallen ist, aber eine rollende Landschaft mit Steigungen von sechs bis acht Prozent ist viel einfacher zu beradeln als diese Hügel mit acht bis zwölf Prozent Steigung. Noch ein paar Tage wie heute und ich bin wiederhergestellt.
Heute sind die Temperaturen sehr angenehm, geregnet hat es auch nicht und es gibt keinen Gegenwind. Mehr kann man nicht verlangen.

Wir übernachten in einem Fairfield Motel. Das grenzt schon an Luxus nach dem wilden Camping der letzten Tage.

24. Mai: Berea, KY nach Springfield, KY

Unser Leiter hat die Route etwas geändert. Das soll einige Höhenmeter sparen. Er hat wunderschöne Nebenwege ausgesucht. Auf diesen Nebenwegen sind die Hunde besonders aktiv. Ich habe das Glück mit unserem Leiter zusammen zu radeln. Er wehrt die Hunde ab, indem er einfach vom Rad steigt und neben ihnen herläuft. So gibt er sich gegenüber den Hunden als "normaler" Mensch zu erkennen. Gleichzeitig zeigt er den Hunden seine Wasserflasche und droht gestenreich, das Wasser auf ihre Nase zu spritzen. Diese Prozedur wirkt in verblüffender Weise. Er musste nie Pfefferspray einsetzen.

Heute ist prachtvolles Radfahrwetter. Es hat etwa 20 °C, der Himmel ist fast wolkenlos und es weht ein kühler Wind.

Das Hinterrad ist auch erneuert. Es hat 180 $ gekostet und ist von gleicher Qualität wie das vorherige. Die Reparatur wurde vier Tage vorher abgesprochen, das Rad heute angeliefert und dann auch gleich montiert. Mit der Arbeit und dem Preis bin ich sehr zufrieden.

Die Anstrengungen der Vergangenheit machen sich heute deutlich bemerkbar. Beim Bergfahren schmerzen die Muskeln in den Beinen. Unser Leiter macht mir Mut, er verspricht moderatere Steigungen in den nächsten Tagen.

25. Mai: Springfield, KY nach White Mills, KY

Es ist ein prachtvoller Tag. Nicht nur das Wetter stimmt, mir fällt das Radfahren bedeutend leichter. Die Regenerierung scheint fortzuschreiten. Die rollenden Hügel komme ich wieder leicht hinauf.
Unser Leiter gibt ein scharfes Programm vor. Waren wir vor drei Tagen noch einen Tag hinter dem Plan, sind wir heute einen Tag voraus. Irgendwann wird er das Tempo herausnehmen müssen.

Wir fahren durch eine Bilderbuchlandschaft. Hügel und Täler gehen sanft ineinander über; auf dem Hügel ist oft ein Haus, im Tal ist ein kleiner See. Dabei sind die Häuser meist aufwändig gebaut, keine einfachen Holzhäuser.

Wieder interessieren sich Hunde für uns. Die wehrt Jake mit seinem Taser ab. Passiert ist weiter nichts.

Ich bin jetzt drei Wochen mit der Gruppe unterwegs. Es war eine gute Entscheidung mit der Gruppe zu gehen. Die kennen sich eben in den USA aus und von den Erfahrungen profitierten alle.

26. Mai: White Mills, KY nach Whitesville, KY

Über den heutigen Tag gibt es wenig zu berichten. Von Interesse ist vielleicht, dass wir eine Zeitzone weiter westlich sind (central time) und deswegen eine Stunde länger schlafen durften. Das Frühstück ist noch immer um 06:30 Uhr (vor einer schweren Etappe schon um 06:00 Uhr).

Ein besonderes Ereignis für mich ist die Vorbeifahrt am Rough River State Park. Da war ich vor ein paar Jahren mit dem Auto auf dem Campingplatz.

Wir übernachten im City Park von Whitesville. Das kostet nichts, hat aber den Nachteil, dass es keine Duschen gibt.

27. Mai: Whitesville, KY nach Vanderburg, KY

Heute ist es heiß und windig. Leider bläst der Wind aus der falschen Richtung. Und er bläst kräftig. Meine Durchschnittsgeschwindigkeit sinkt auf 13 Stundenkilometer. Auch ohne steile Anstiege kann es ein harter Tag sein.

Bei Slaughters, KY übernachten wir auf dem Grundstück einer Familie, die der Organisation, die die Tour veranstaltet, verbunden ist. Kaum angekommen, wird erst einmal das aufgetischt, was ein abgeschlaffter Radfahrer braucht.

Die Wettervorhersage prognostiziert für Morgen einen noch heißeren Tag. Mal sehen, wie ich damit zurechtkomme.

28. Mai: Vanderburg, KY nach Marion, KY

Das ist jetzt also unser Ruhetag. Nur 52 km in dem etwas hügeligen Gelände. Diese 52 km führten auf einsamen Landstraßen durch West-Kentucky. Die Landschaft entschädigt – es ist hier wunderschön, eben wegen dieser Hügel. Leider lässt die Beschilderung sehr zu wünschen übrig. Manche Wege abseits der offiziellen Route lassen sich nur per Navi ausmachen. Der Track auf meinem Smartphone hat mich heute schon ein paar Mal gerettet.

Die gestrige Wettervorhersage lag richtig: Es wird sehr heiß, heute haben wir so um die 35 Grad Celsius.

Übernachtet wird wieder in einer Kirche. Ich habe sogar ein eigenes Zimmer. So können die anderen nachts ungestört von weit verbreiteten Schlafgeräuschen schlafen.

Man hat Amy und mich morgen zum Kochen des Abendessens auserkoren. Das verspricht einen richtig anstrengenden Tag. Wir sind in einem State Park. Das Essen muss also vorab eingekauft und mit dem Fahrrad in den Park transportiert werden. Und das nach einer 75-Kilometer-Radtour mit Gepäck.

29. Mai: Marion, KY nach Dixon Springs State Park, IL

Das Ereignis des Tages ist die Überquerung des Ohio River mit einer Fähre. Überflüssigerweise sticht mich dort, am Ufer, ein Insekt in den Arm. Es ist ein riesiger Brummer, den ich leider nicht identifizieren kann. Ansonsten tun wir das, was wir schon seit mehreren Tagen tun – bei unangenehmem Gegenwind aus Südwesten und großer Hitze die Hügel hoch- und runterfahren.

Meine Kondition hat sich merklich verbessert. Nicht, dass ich jetzt schnell einen Hügel hinauf fahre, die Tagesetappen stecke ich aber merklich leichter weg und es dauert viel länger bis die Kraft, das Fahrrad einen Berg hinaufzudrücken, nachlässt.

Vorstellen möchte ich noch Harry: Harry ist 55 Jahre alt und kommt aus Pennsylvania. Er ist der Schnellste von uns.

Wie schon erwähnt, habe ich mal wieder die Höchststrafe erhalten und darf zusammen mit Amy das Abendessen kochen. Da die Spaghetti Bolognese das letzte Mal gut ankam, wollen wir dies wieder kochen. Jetzt allerdings unter erschwerten Bedingungen, da im State Park keine Küche vorhanden ist. Gekocht wird auf den mitreisenden Benzinkochern, Wasserstelle und Abwaschmöglichkeit sind weit entfernt.

30. Mai: Dixon Springs State Park, IL nach Carbondale, IL

Es ist eine schwüle und sehr stille Nacht, kein Lüftchen bewegt sich, nur ein paar Tiere machen Geräusche.

Um 06:00 Uhr ist Abfahrtszeit, weil eine Brücke in der Nähe geschlossen wird und wir einen größeren Umweg vermeiden möchten. Den Wecker habe ich auf 05:00 Uhr gestellt, da ich ja auch noch für das Zubereiten des Frühstücks zuständig bin. Im Licht der Taschenlampe packe ich dann meine Sachen zusammen. Schwerstarbeit für einen Spätaufsteher, für die ich auch noch etwas bezahlen muss.

Die Strecke heute ist recht abwechslungsreich. Es ist wieder hügelig, die Hügel lassen sich aber meist ohne große Anstrengung mit dem Schwung der letzten Abfahrt erklimmen.

Ich bin schon am frühen Nachmittag in Carbondale, IL. Der nächste Tag ist, nach 10 Tagen intensiven Radfahrens, ein heiß ersehnter Ruhetag.

Wir sind im Super 8 Motel. Das liegt nicht gerade idyllisch mitten in einem Einkaufszentrum an der Hauptverkehrsstraße. Egal, ich kann endlich mal ausschlafen, so bis 08:00 Uhr, nicht länger. Schließlich gehe ich jetzt, als Frühaufsteher, auch früh ins Bett.

Heute werde ich meine Wäsche waschen. Seit Tagen umgibt mich ein etwas strenger, unangenehmer Geruch, den ich so loswerden kann. Ansonsten will ich den Tag dem Nichtstun widmen. Die Tour hat mich etwas an meine Grenzen gebracht, eine weitere Erholung kann nicht schaden.

Am nächsten Tag regnet es unaufhörlich. Wir bleiben deshalb einen Tag länger hier im Motel. Schon macht sich Langeweile breit – ohne Auto sitzt man hier fest und kann höchstens mal eine Einkaufspassage besuchen. Morgen soll das Wetter wieder besser werden. Dann geht es endlich weiter.

Da ein Drittel der Reise fast vorbei ist, ist es Zeit ein kurzes Fazit zu ziehen:
Die Tour verläuft genauso wie auf der Webseite vonAdventure Cyclingbeschrieben:
Es gibt einen festen Plan der Tagesetappen und der wird möglichst durchgezogen. Da die Straßen in den Appalachen oft sehr steil sind, sind diese 80 bis 100 Kilometer pro Tag mit dem schweren Gepäck eine sportliche Herausforderung. Zumindest für mich, da ich nicht mit Gepäck trainiert habe.
Die Leistungen von Adventure Cycling sind gut. Neben einem erfahrenen Leiter wird die notwendige Gemeinschafts­ausrüstung und das tägliche Essen in ausreichender Menge zur Verfügung gestellt. Zusätzlich benötige ich etwa zehn Dollar pro Tag für persönliche Dinge. Ich kann das Angebot von Adventure Cycling vorbehaltlos empfehlen. Diese geführte Tour zeigt Dinge, die man als normaler Radtourist in den USA nicht zu sehen bekommt, zum Beispiel die Übernachtungen in den Kirchen und deren Infrastruktur, die sie für Radtouristen zur Verfügung stellen.

02. Juni: Carbondale, IL nach Chester, IL

Nach den zwei Ruhetagen fällt mir heute das Radfahren ziemlich leicht. Nicht gleich zu Beginn, aber später, als es steiler wird. Wenn die Form so anhalten würde, wäre ich mehr als zufrieden.

Heute gibt es keinen Niederschlag. Ob das so bleibt? Es sieht seit Stunden nach Gewitter aus.

Wir schlafen auf einem Campingplatz in Chester, der nur für Radfahrer offen ist. Es ist eine kleine Wiese mit zwei Hütten. In einer können bis zu sechs Personen schlafen. Aus naheliegenden Gründen gehöre ich nicht dazu. Das andere ist ein einfaches Sanitärgebäude. Nicht gerade berauschend aber ausreichend und kostenlos.

Auch in Illinois werden manche Hunde aktiv, wenn Radfahrer an ihrem Grundstück auftauchen. Es sind aber viel weniger als in Kentucky und ich finde, sie sind weniger aggressiv.

Wir haben jetzt den Mississippi erreicht und werden ihn morgen überqueren. Wir sind dann im Staat Missouri, der vierte Staat, der zu durchqueren ist.

03. Juni: Chester, IL nach Farmington, MO

Bei Chester, IL führt eine Brücke über den Mississippi, die wir heute benutzen. Die Überquerung des Flusses ist eines der Highlights dieser Tour. Wir sind jetzt im Staat Missouri.

Das Fahrrad macht Probleme. Zum einen funktioniert die Gangschaltung nicht mehr richtig, zum anderen der Geschwindigkeitsmesser. Am Abend kann ich die Gangschaltung reparieren.

Der Reißverschluss des Innenzeltes macht auch Probleme. Er lässt sich kaum mehr schließen, weil der Schieber eingeschliffen ist. Unterwegs kann ich das nicht reparieren und hoffe, dass ich damit zurechtkomme. Ansonsten wird ein neues Zelt fällig, wenn ich nicht so viele fremde Tiere im Zelt haben will.

Die Tagesetappe heute ist viel zu kurz. Wir sind schon um 13 Uhr in unserem Hostel. Den Rest des Tages sitzen wir dann irgendwo herum und vertrödeln uns die Zeit. Das ist langweilig.

04. Juni: Farmington, MO nach Lesterville, MO

Wieder ein Erholungstag! Nur 77 km, keine gravierenden Steigungen, außer am Schluss kurz in die Ozark Berge.
Die Hunde haben uns heute wieder mal nachgestellt. Inzwischen hat das etwas von Routine. Bisher ist immer nichts passiert.
Übernachtet wird auf dem Park Bluff Campground in Lesterville.

Um nicht auf dem Campingplatz herumzuhängen, haben wir uns in den Nationalparks Elephant Rocks State Park und Johnson’s Shut-Ins State Park umgesehen. Touristisch ein wunderbarer Tag. Das Wetter, das Programm etc., alles hat gepasst.

05. Juni: Lesterville, MO nach Eminence, MO

Missouri scheint nur aus Hügeln zu bestehen. Die heutige Strecke in den Ozarks lässt keinen anderen Schluss zu. Hier geht es ständig auf und ab, 11 Prozent Steigung sind keine Seltenheit. Die Muskeln in den Beinen sind jetzt wieder etwas empfindlich, das Treppenlaufen versuche ich zu vermeiden. Es ist ein Rückfall in schon vergangen geglaubte Zeiten. Trotzdem habe ich den Tag gut überstanden.

Es ist eine schnurgerade Straße, die ich gerade erklimme. Dort überholt mich ein Lastzug fast ohne Abstand. Es beginnt mit einem Dauerhupen und dann ist der Lastzug auch schon links an mir vorbei, ganz knapp. Zum Glück konnte ich noch anhalten und mich rechts aus der Straße lehnen. Auf die ähnliche Art und Weise werden wir alle von dem Lastwagen in Gefahr gebracht. Gegen Jake wird der Fahrer sogar handgreiflich. Wir haben schließlich den Sheriff verständigt, der die Vorfälle aufgenommen hat.

Hier in Eminence, MO legen wir schon wieder einen Ruhetag ein. Er dient mir für die Erholung der Beine. Durch Eminence fließt der Jacks Fork River, Kanufahren wird angeboten. Das werde ich wohl morgen machen.