Von Yorktown, VA nach Hindman, KY

05. Mai: Yorktown nach Williamsburg und zurück

Wir sind unterwegs, bei sehr kaltem Gegenwind. Zunächst vom Motel zum eigentlichen Startpunkt beim Victory Monument in Yorktown. Die Gruppe besteht aus 14 Leuten und ist international besetzt: meist Amerikaner, ein Niederländer, ein Australier, ein Kanadier und eben ich als Deutscher.
Nach dem Start beim Monument werden die Reifen in das Wasser des Atlantiks getaucht. So ist es hier Brauch. Mit der Rückfahrt nach Williamsburg legen wir die ersten 13 km der Radtour zurück.

Morgen geht es richtig los. Das Wetter ist nicht allzu vielversprechend. Die Vorhersagen reden von Regen. Mal sehen, ob das stimmt.

06. Mai: Williamsburg,VA nach Willis-Church,VA

Einer der amerikanischen Mitfahrer ist Jake. Jake ist genauso alt wie ich. Er kommt aus Portland in Oregon. Es gibt noch einen dritten Mitfahrer, der genauso alt ist wie wir. Das Durchschnittsalter der Gruppe dürfte trotzdem unterhalb von 50 Jahren liegen. Die Alten schlagen sich ganz gut in der Gruppe.

Heute sind wir zum ersten Mal eine längere Strecke geradelt, so 80 km, aber mit einer hohen Durchschnittsgeschwindigkeit. Die Jüngeren sind die Pacemaker. Wir sind schon um 14:00 Uhr am Ziel.

Der Himmel ist etwas bewölkt, es ist so 20 Grad warm und ab und zu kommt ein Schauer herunter – ideales Wetter.

Geschlafen wird in einer Kirche, ja – in einer Kirche. Dort gibt es auch Duschen, eine Küche und einen Aufenthaltsraum. Es ist eine Methodisten-Kirche, die das kostenlos zur Verfügung stellt.

Mir geht es prima; es hat ja vielversprechend angefangen.

07. Mai: Willis-Church, VA nach Ashland, VA

Amy kommt aus Phoenix in Arizona. Sie ist 55 Jahre alt. Sportlich kann sie locker mit den Männern mithalten.

Die heutige Etappe war ganz schön locker, ohne große Steigungen und auch nur kurz. Die schlechte Wettervorhersage ist nicht eingetroffen, es ist bewölkt, aber regnet nicht.

Heute ist zum ersten Mal Zelten angesagt. Hoffentlich regnet es nicht während der Nacht.

08. Mai: Ashland, VA zur Hale’s Farm (bei Mineral, VA)

Die Route führt heute durch ruhige, rollende Landschaften. Das Wetter ist ideal zum Radeln. Mit der Gruppe kann ich gut mithalten, allerdings ist das Durchschnittstempo für meine Verhältnisse relativ hoch, fast 20 km/h.

Heute darf ich, zusammen mit Brian, das Abendessen planen, einkaufen und zubereiten – es gibt Tacos und Tortillas – Brian kennt sich damit aus.

Hale stellt seine Farm vorbeikommenden Radfahrern zur Verfügung. Wir haben das ganze Haus in Beschlag genommen. Was für eine Gastfreundschaft.

09. Mai: Hale’s Farm nach Charlottesville, VA

Für das Einkaufen, Kochen und Abspülen des Abendessens und Frühstücks gibt es viel Lob. Es ist ein anstrengender Job, da man ja mit den anderen mitfahren muss und die Zeit knapp ist.

Heute ist zweifellos der bisher schwierigste Tag: es ist sehr hügelig. Dazu kommen am Nachmittag ein wolkenloser Himmel und die Hitze. Bei Monticello und kurz vor Charlottesville sind steile Anstiege zu überwinden – jetzt spüre ich beim Treppensteigen die Muskeln in den Oberschenkeln.

Das Learning by Doing ist zu Ende. Übermorgen geht es den Blue Ridge Parkway hinauf. Morgen habe ich noch einen Ruhetag, um die Stadt anzuschauen.

Die Hunde sind hier aktiv. Allerdings ist bislang nichts Besonderes vorgefallen. Sie kommen einfach an die Straße und bellen.

Vom Ruhetag und über Charlottesville gibt es nicht viel zu berichten. Am ehesten noch über das Wetter heute – es ist ein warmer sonniger Sommertag. Eine Trolley-Linie, die durch den historischen Stadtteil der Stadt fährt, kann man umsonst benutzen. Vom historischen Stadtteil selbst war ich enttäuscht. Es ist eine schöne Fußgängerzone, nicht mehr und nicht weniger.

Der Tag morgen könnte kritisch werden. Es sind mehrere ernste Steigungen angesagt. Wenn die Hitze bleibt, dann wird das ganz schön anstrengend.

11. Mai: Charlottesville, VA nach Royal Oaks Cabins, VA

Howard ist, wie ich, nicht mehr der Jüngste. Er ist 61 Jahre alt und kommt aus Kalifornien.

Heute ist gewissermaßen ein Test, ob die bisherigen Trainings für die Bewältigung der ganzen Strecke ausreichen. Es geht zur Panoramastraße Blue Ridge Parkway hinauf. Die Straße verläuft teilweise parallel zum Appalachian Trail. Auf dieser Straße sind so einige Höhenmeter zu überwinden, insgesamt etwa 2.000. Dazu ist es ganz schön warm.

Den Test haben alle gut bestanden, die Truppe ist recht fit. Ohne ausreichendes Training ist man hier verloren. Ich selbst habe zu wenig trainiert und mich deshalb mit dem Tempo zurückgehalten, um einigermaßen entspannt anzukommen.

Auf dem Campingplatz wird dann, trotz des Regens, gegrillt. Es gibt Hamburger und Grillwürstchen – nicht schlecht nach so einer langen Radtour.

Inzwischen jagt ein Gewitter das andere. Der Wetterbericht behauptet, dass es morgen niederschlagsfrei sein soll.

12. Mai: Royal Oaks Cabins, VA nach Lexington, VA

Den Blue Ridge Parkway haben wir jetzt hinter uns gelassen. Heute geht es ein schönes, ruhiges Tal des South River entlang bis zur Universitätsstadt Lexington. Wir schlafen dort in einer Sporthalle.
Das Wetter hat sich richtig gemacht. Die Sonne scheint und die Luft ist herrlich frisch. Der Wetterbericht hatte recht.

13. Mai: Lexington, VA nach Camp Bethel (bei Buchanan, VA)

Die Turnhalle, in der wir übernachten, verfügt über eine Küche. Entsprechend gibt es zum Frühstück mal wieder Rühreier. Das Essen ist überhaupt sehr abwechslungsreich, obwohl wir selbst kochen.

Heute, gleich zu Beginn in Lexington, geht es einen steilen Hügel hinauf. Da war ich viel zu schnell. Oben angekommen wird mir schwindelig, so dass ich zu Boden gehe. Der Kreislauf stabilisiert sich schnell wieder, ich kann weiter radeln.
An der Auswahl der Route gibt es wenig auszusetzen; sie führt durch einsame, friedvolle Täler der Appalachen. Die Landschaft ist großartig.

Wir übernachten in Bethels Camp. Es ist kühl und es weht ein unangenehmer Wind.

14. Mai: Camp Bethel, VA nach Christiansburg, VA

Die Nacht ist bitterkalt. Auf der Zeltaußenhaut ist am Morgen eine dünne Eisschicht. Ich habe das Zelt, samt Eis, eingepackt und zum Radfahren alle verfügbaren Sachen angezogen. Bei der Kälte sind das Aufstehen und Packen sehr unangenehm. Im Laufe des Tages steigen die Temperaturen, es wird angenehm warm. Morgen soll es sogar heiß werden.

Die heutige Strecke führt durch rollende Hügelketten, auf Teilabschnitten sieht es aus wie im Schweizer Jura. Es sind, wie üblich, wenig befahrene Nebenstrecken. Unser Leiter Jack behauptet, dass heute, wegen der steilen Hügel, der bisher anstrengendste Tourtag sei. Ich habe das so nicht empfunden. Es war kein Zuckerschlecken, aber auch nicht besonders schwierig.

Seit Camp Bethel begleitet uns ein irischer Radfahrer. Er hat seine Tour in Maine begonnen und will an die Rocky Mountains. Er übernachtet auch hier.

Wir schlafen wieder in einer Methodisten-Kirche. Den Gläubigen sei für ihre Großzügigkeit gedankt.

15. Mai: Christiansburg, VA nach Wytheville, VA

Das heute ist die weitere kernige Etappe über die rollenden Straßen der Appalachen. Diese Etappe ist wirklich anstrengend. Ich bin fast als Letzter losgefahren. Da man mich heute wieder zum Küchendienst verurteilt hat, will ich nicht als Letzter ankommen. Trotz der schwierigen Verhältnisse habe ich das Ziel als Vierter erreicht. Darauf bin ich ganz schön stolz.

Der Küchendienst beinhaltet das Einkaufen, das Zubereiten und den Abwasch für das Abendessen und Frühstück. Es ist schon hart, so etwas nach einer so langen Radtour zu machen.
Gekocht wird Spaghetti Bolognese. Das ist ein voller Erfolg. Manche halten sich die Bräuche, weil sie zu viel gegessen haben.

Wir haben schon wieder in einer Kirche übernachtet. Neben dem eigentlichen Kirchenraum gibt es dort eine Küche und diverse Nebenräume zum Schlafen.

16. Mai: Wytheville, VA nach Damascus, VA

Obwohl es heute etwas kühler als in den letzten beiden Tagen ist, ist der Tag wieder anstrengend. Wieder sind es etwa 2.000 Höhenmeter. Es braucht immer eine Überwindung das Rad den nächsten Buckel hinaufzudrücken. Der Weg führt auf einsamen Landstraßen durch unberührte Wälder. Die Tour endet mit einer rasanten 15 km Abfahrt nach Damascus.

In Damascus zelten wir auf dem Campingplatz für Pfadfinder und gönnen uns auch noch einen Ruhetag. Mitten auf diesem Campingplatz ist ein Schild, dass das Campen verboten sei. Wir dürfen das aber. Unmittelbar benachbart ist wir ein kleines Häuschen mit Nasszelle. Die wird von uns und so manchem Nichtcamper benutzt, unhygienisch bis ekelhaft. Durch Damascus führt schließlich der Appalachian Trail.

Ein besonderes Vergnügen ist das Frühstück an einem freien Tag. Es gibt Rührei mit Speck und Toastbrot. Dazu unbegrenzt Kaffee. Und das alles ohne den sonst üblichen Zeitdruck.

Die Grenze nach Tennessee ist etwa 3 Meilen entfernt. Ein Teil der Mannschaft ist nach Tennessee unterwegs. Ich möchte ausspannen und mich dem Fahrrad und der Körperpflege widmen.

18. Mai: Damascus, VA nach Council, VA

Jake's Bruder, der hier in der Nähe wohnt, hat uns zusammen mit seiner Frau besucht und für ein kalorienreiches Frühstück gesorgt. Bei dem schlechten Wetter heute eine großzügige und sehr willkommene Hilfe.

Es sind zwei kleinere Pässe mit jeweils etwa 400 m Anstieg angesagt. Beim ersten Pass hat es noch geregnet und dadurch die Körpertemperatur angenehm heruntergekühlt.

Am Abend bereiten Jake's Bruder und seine Frau das Abendessen zu. Es gibt eine Bohnen- und eine Gemüsesuppe und als Nachtisch Brownies. Dazu werden Brote, Butter und Flaschenbier auf Eis angeboten. Das hat etwas Europäisches. Jedenfalls werden wir verwöhnt.

19. Mai: Council, VA nach Breaks, VA

In der Nacht regnet es kräftig und stundenlang. Das Zelt hält diesmal dem Wasser stand, kein Tropfen gelangt ins Innenzelt.

Die Familie von Jake's Bruder versorgt uns wieder mit einem Frühstück. Meine Enttäuschung ist sehr groß: das Rührei ist schon weggegessen. Als kleinen Ausgleich erhalte ich fünf kleine Pfannkuchen.

Das Radeln ist, wie immer in den letzten Tagen, eine Herausforderung. Zwei kleine Berge mit steilen Anstiegen sind zu erklimmen. Zwischendurch geht noch ein Gewitter herunter.

Wir übernachten im Breaks Interstate Park, gewissermaßen am Busen der Natur. Die Lebensmittel hat uns Jake's Bruder gebracht, sonst hätten wir sie mit den Rädern hierher schleppen müssen.
Heute ist unser letzter Tag in Virginia, morgen sind wir in Kentucky.

20. Mai: Breaks, VA nach Elkhorn City, VA

Um 05:00 Uhr morgens geht es los. Weit entfernt sind leichte Lichtblitze zu sehen. Diese werden immer stärker und auch das Donnern schwillt zu einem Grollen an. Dann bricht das Gewitter los. Es schüttet stundenlang aus allen Kübeln. Um 06:30 Uhr wird trotzdem gefrühstückt. Da es um 09:30 Uhr immer noch gewittert, beschließt unser Leiter einen Ruhetag im nächstgelegenen Motel. Wir fahren zum Gateway Motel in Elkhorn City und trocknen unsere Sachen. Und wir befinden uns immer noch in Virginia, die Grenze nach Kentucky ist etwa einen Kilometer entfernt.

21. Mai: Elkhorn, VA nach Hindman, KY

Wieder so ein anstrengender Tag. Es geht bergauf und bergab, wieder so 2.000 Höhenmeter. Dazu ist es jetzt sehr heiß. Am Nachmittag bade ich für eine Stunde die Füße in einem kühlen Bach. Um 17:00 Uhr komme ich schließlich völlig erschöpft auf dem Campingplatz an. In Kentucky sind die Hunde aktiver. Heute haben sich gleich zwei für mich in unangenehmer Weise interessiert. Es war aber kein Problem sie abzuwehren.

Den Campingplatz betreut David ehrenamtlich. Es ist fast wie im Hotel, nur eben Camping. Bestellt haben wir uns Pizza. Dazu gibt es noch ein Eis und zwei Bierdosen, das war alles prima, war aber auch alles.
Gerade geht ein Gewitter nieder. Der Strom ist ausgefallen. Hier funktioniert jetzt gar nichts mehr, nicht einmal das Wasser – also auch keine Toilettenspülung. David sagt, es wird etwa sechs Stunden dauern, bis es repariert ist.